Thomas Spengler

Tim Huß

Ich habe relativ früh meine Liebe zur Wissenschaft entwickelt und lebe diese Liebe täglich und in allen Lebensbezügen. Ich darf als Wissenschaftler kreativ sein, dass verbindet mich mit dem Künstler, und ich liebe die Suche nach Erkenntnis, die ich regelmäßig mit anderen gesicherten Erkenntnissen fundiere. „Verschwörungstheorien“ sind mir ein Graus. Im Beruf bin ich Wirtschaftsprofessor im Bereich der Betriebswirtschaftslehre und deshalb als Realwissenschaftler immer noch sehr praxisorientiert.

Von Wirtschaft und Verwaltung verstehe ich was. Darmstadt wird zwar immer wieder bescheinigt, dass es über eine herausragende Wirtschaftskraft verfüge und in einer hoch interessanten Region angesiedelt sei. Darmstadt boomt − angeblich. Gleichsam sind unsere Potenziale noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Wir bezeichnen uns als Digitalstadt. Allerdings ist auch hier noch viel Luft nach oben. Globalisierung, soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, und Digitalisierung sind die aktuellen Megatrends. Diesen müssen wir uns stellen. Aber was haben wir als Stadt bisher dafür getan? Meines Erachtens zu wenig. Das zeigt sich nicht nur im Zustand der städtischen Wirtschaftspolitik, sondern auch in dem der Kommunalverwaltung, in der sehr vieles im Argen liegt. Die Potenziale der Mitarbeiter*innen müssen anerkannt und genutzt werden. Hier sind Innovativität und Empathie gefragt und vor allem muss man Bürger*innen und Verwaltung besser verbinden.

Ich stehe grundsätzlich für die Erhaltung von Rechten in öffentlicher Hand und bin gegen die Privatisierung von vorab öffentlichen Gewinnerzielungsmöglichkeiten. Ein Bauverein für Arbeiterwohnungen beispielsweise sollte nicht zur „Cash Cow“ oder zur Vergabestelle für Versorgungsposten verkommen. Post, Bahn und Telekommunikation sind in erster Linie öffentliche Aufgaben. Zudem muss man Arbeitskräfte gerecht entlohnen und ihnen angemessene Arbeitsbedingungen bieten. In einer Notsituation Pflegekräfte nur zu beklatschen und sonst nichts zu tun, halte ich − gelinde gesagt − für eine Sauerei. Derlei Beispiele gibt es viele. Prekäre Arbeitsverhältnisse darf es in einer modernen Gesellschaft eigentlich nicht mehr geben.

Politisch geprägt haben mich die Jahre der sozialliberalen Koalition und Willy Brandt, den ich bis zum heutigen Tage als Freigeist und mutigen Utopisten bewundere. Gesellschaftliche und wissenschaftliche Freiheit, insbesondere auch Freiheit der Meinungen, Gerechtigkeit und Fortschritt gehören zu meinen Grundwerten. Meine Eltern waren sozialdemokratisch und haben mich auch so erzogen. Meine Großeltern mütterlicherseits waren im Lehrberuf tätig und die väterlicherseits der klassische Arbeiterschaft zuzuordnen. In meiner Jugend hatte ich mit allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus zu tun. Diese Vielfalt hat bis zum heutigen Tage meine Persönlichkeit geprägt.

Wenn ich durch Darmstadt laufe, sehe ich vieles noch durch die Brille der Vergangenheit. Ich sehe die Ruinen und Trümmergrundstücke, die in meiner Kindheit noch sehr präsent waren. Mein Opa hatte mir immer wieder erzählt, dass die Darmstädter*innen nach dem zweiten Weltkrieg überlegten, die Stadt in zerstörtem Zustand zu belassen und als Mahnmal gegen den Krieg zu erhalten. Deshalb mag ich auch nicht, dass einige Menschen Darmstadt als Bausünde abtun. Der Wiederaufbau ist vielfach der Not geschuldet und bis heute noch nicht abgeschlossen. Ich mag aber die Entwicklung der Stadt und hoffe, dass sie in Zukunft sozialgerecht erfolgt. Dies wiederum bedeutet, dass die Gentrifizierung − und die damit einhergehende Verdrängung ansässiger Darmstädter*innen durch wohlhabendere − aufgehalten werden muss. Darmstadt war jahrzehntelang die Stadt im Walde. Diese Eigenschaft verliert sie zunehmend. Auch hier ist eine Umkehr längst überfällig.

Darmstadt ist mein Ein und Alles. Ich liebe es mit seinen schönen und vermeintlich unschönen Ecken. Ich brenne für den Darmstädter Fußball. Und ich mag den knoddernden Heiner, der zu allem was weiß und den besten Humor der Welt hat.

„Ein Bauverein sollte nicht
zur Cash Cow werden.“