Udo Grabow

Udo Grabow

Das Milieu, in dem ich heranwuchs, die Zeit und der Ort hatten allesamt einen prägenden Einfluss auf meine Menschwerdung. Meine Mutter war bei meiner Geburt 23 Jahre älter als mein Vater. Das war 1951 schon etwas, das ich auch in den Folgejahren immer spüren durfte. Ungetauft, erklärten die netten Damen vom Kindergarten im E-Stift den anderen Kindern, dass ich leider keinen Namen habe. Dies verwirrte sie und mich gleichermaßen.

Auf den Schultern meines Vaters war ich dann als Dreijähriger Besucher der Documenta 1. Ich nehme stark an, hier wurden die Weichen für mein Leben gestellt. Die Tatsache auf der Mathildenhöhe, direkt vor den Toren der Werkkunstschule und unterhalb der Ausstellungshallen, aufzuwachsen, war für meine weitere Entwicklung ideal. Zu den in den Ateliers und Instituten lebenden und arbeitenden Künstler*innen und klugen Köpfen hatte ich von Anfang an eine freundschaftliche Beziehung. Protegiert von meiner Schwester, die als Fotografin immer ein festes Mitglied der Darmstädter Kunstszene war.

Kein Wunder also, als Fotograf und Kommunikationsdesigner, bin ich ein Freund der internationalen Kunst und Kultur. Ob bildende oder darstellende Kunst, wie Ballett, Oper oder Schauspiel, und Literatur − alles findet mein wohlwollendes Interesse. Wie gerade in dieser Zeit für jeden deutlich wird, ohne Kunst und Kultur ist alles nix!

In den letzten Jahren hat sich der Fokus in Darmstadt verschoben. Ich habe nichts gegen Event und Spaßkultur. Aber den nur schwer massentauglichen Künsten darf nicht der Boden genommen werden. Sie bilden die intellektuelle Grundlage für die Entwicklung einer humanistischen Gesellschaft.

Ich glaube fest an den Fortschritt. Ich bin in der SPD, weil ich hier sicher bin, dass bei allen fortschrittlichen Veränderungen niemand auf der Strecke bleibt. Die Frage allerdings, wie dein Darmstadt in zehn Jahren aussehen würde, macht mir derzeit Angst. Mein Lieblingsplatz in Darmstadt, die Mathildenhöhe, ist seit gefühlt ewigen Zeiten Katastrophengebiet. Nicht wegen der Renovierung der Hallen. Nein, das gesamte Umfeld ist im Eimer. Die Sache mit dem Weltkulturerbe ist mir, ehrlich gesagt, nicht sehr wichtig. Viel spannender ist die alternative Lösungssuche am Osthang − der Platanenhain muss gerettet werden. Ob im restlichen Darmstadt in zehn Jahren überhaupt noch Bäume stehen? Wenn das so weitergeht und sich politisch nichts ändert, dann bezweifle ich das.

„Ohne Kunst und Kultur ist alles nix.“