Michael Siebel

Michael Siebel

Zur Politik kam ich mit dem Studium. Mein Studium begann mit einem Streik an der Uni gegen Kürzungen für Übungen im Landeshaushalt. Die ganze Uni wurde bestreikt. Als meine Mathe-Vorlesung gesprengt wurde, suchten die Funktionäre einen Semestersprecher − und da war es passiert. Der Allgemeine Studierendenausschuss war viele Jahre mein zweites zu Hause. 1999 hatte ich dann die Ehre, Mitglied des Hessischen Landtags zu werden und 2009 wurde mein Traum wahr: Wir schafften die Studiengebühren ab.

Für mich war schon sehr früh klar, dass ich auf alle Fälle Biologie studieren und Lehrer werden wollte. Ich bin an einer Zwergschule im Taunus groß geworden. Mein Papa war Lehrer und die Schule stand am Waldrand. Wir hatten jede Menge Tiere, Bienen, Hasen und eine Vogelvoliere mit allen gestrandeten Vögeln aus unserem Ort. Im Garten ernteten wir Obst und Gemüse. Ich bin in einer wunderschönen Natur groß geworden. Das hat mich geprägt und das wollte ich auch studieren.

In Darmstadt bin ich genau dreimal umgezogen. Die erste Studentenbude in der Schleiermacher Straße, dann meine Wohngemeinschaft in der Kahlertstraße und viele Jahre die Parcusstraße, in der meine Kinder groß geworden sind. Jetzt lebe ich in der Gräfenhäuserstraße, neben der Kirschenallee, in einer sehr netten Nachbarschaft. Eigentlich behaupten ja alle, dass ihr Stadtteil der schönste ist. Seit ich in Darmstadt lebe, sind es für mich schon immer das Johannesviertel und das Martinsviertel. Ich mag am „Watzevedel“ die Kneipenkultur, die guten Restaurants und vielen Cafés auf den Plätzen.

Bei allen schönen Orten, interessanten Bauten, dem Herrngarten – vor allem aber sind es die Menschen, die für mich das Viertel ausmachen. Trotz Veränderungen begegnen mir dort Alte und Junge, Arbeiter*innen und Selbstständige, Menschen aus der Pflege oder Erzieher*innen. Diese Unterschiedlichkeit mag ich sehr.

Und für diese Unterschiedlichkeit setze ich mich ein. Ich habe daran mitgewirkt, dass wir flächendeckend Schulsozialarbeit haben. Wir haben mittlerweile würdige Unterkünfte für Obdachlose. Wir haben Frauenhäuser und mehr Kitas. Aber es gibt noch viel zu tun: Ich will, dass Darmstadt an seiner Tradition festhält, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen. Wir brauchen eine echte Gleichberechtigung, eine bessere Bezahlung von Erzieher*innen und endlich den Mindestlohn für alle. Dafür kämpfe ich mit meinem Ehrenamt und in meiner politischen Arbeit. Beruflich bin ich Coach, Trainer und Berater und bei genauer Betrachtung wieder bei meinen Wurzeln angelangt – nämlich in der Bildung. Ich versuche Menschen stark zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jede und jeder alles in sich hat, was er oder sie braucht, um ein guter Teil der Gesellschaft zu sein. Respekt und Fürsorge sind für mich der Schlüssel zum gelingenden Miteinander.

Wenn ich mal nicht arbeite, ob politisch oder beruflich, dann sitze ich am liebsten mit Freunden auf dem Balkon oder im Sommer in meinem kleinen Garten. Darüber zu schwätzen, wie wir die Welt verbessern können, da geht nix drüber. Ach, und apropos Tradition! Wer weiß, vielleicht spielen die 98er ja mal wieder in der Bundesliga.

„Ich versuche Menschen stark zu machen.“