Ulrike Schmidbauer
Es gibt einige Orte in Darmstadt, zu denen ich eine Verbindung habe: der botanische Garten mit seinem Leben aus aller Welt auf kleinem Raum, ohne beengt zu wirken – Sonntagsöffnung und Jätaktion eingeschlossen. Die Pauluskirche mit ihrer angenehmen baulichen Atmosphäre – ich liebe den Jugendstil. Die Viktoriaschule, an der ich Abitur gemacht habe, an die ich meine Kinder und vorher meine Pflegetochter geschickt habe und zuletzt ein Jahr den Elternbeirat geleitet habe. Spaziergänge auf den Eberstädter Streuobstwiesen und meine Einkäufe beim Bauernmarkt freitags an der Orangerie.
Meine frühe Kindheit verbrachte ich in Berlin mit jüngst gebauter Mauer, von dort ging es ins bayerische München und schließlich nach Darmstadt in Hessen. Für mich hießen die vielen Umzüge in meiner Kindheit nicht nur öfter die Schule zu wechseln, sondern es bedeutete auch ständige Neuorientierung in einer neuen Stadt, unter neuen Menschen, mit neuer Sprache und Kultur. Immer in meinem Gepäck war ein frühes und als Selbstverständlichkeit empfundenes Verantwortungsgefühl für mich selbst und für meine Schwester, die aufgrund ihrer geistigen Behinderung besonders viel Unterstützung benötigte.
Verantwortung zu übernehmen, habe ich schon früh gelernt und wird mein familiäres, gesellschaftliches und politisches Handeln immer beeinflussen. Deshalb ist Politik für mich auch keine Leidenschaft oder ein bloßes Hobby, sondern eine Verpflichtung: Ich will als Mensch und als Frau dafür Sorge tragen, dass wir gut und friedlich zusammenleben. Das ist mein Pflichtprogramm. Eine unverzichtbare Bedingung dafür ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Gleichstellung muss in allen Lebensbereichen gestärkt und dringend weiter ausgebaut werden. Das hat uns nicht nur die Coronakrise grausam offengelegt, sondern das sagt auch der gesunde Menschenverstand.
Wir brauchen eine verbindliche 50-Prozent-Quote für Frauen bei der Besetzung von Vorständen und Aufsichtsgremien, eine intelligente Steuerung städtischer Finanzen für mehr Geschlechtergerechtigkeit und mehr Feingefühl für die Verwendung geschlechtersensibler Sprache. Sexistische Werbung muss flächendeckend verboten, die Mädchenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe gefördert, das Bildungsangebot für Migrantinnen ausgebaut, Frauenhäuser gestärkt und Gewalt gegen Frauen konsequent verfolgt werden. Und – last, but not least − Frauen müssen endlich genauso gut verdienen und nach gleichen Kriterien entlohnt werden wie ihre männlichen Kollegen.
Packen wir es an, weil es unser aller Pflichtprogramm ist!